Mit der Leica Monochrom die Nationalparks im Westen der USA erkunden... Ein Erfahrungsbericht

Mein Auftrag: Auf den Spuren Ansel Adams durch die Nationalparks in Utah, Kalifornien, Arizona und Nevada reisen und die Schönheit vor Ort dokumentieren.

Die Besonderheit: Das Ganze unter Verzicht von Farbe mit einer Leica Monochrom.

Die Welt ist bunt. Und wer mit seiner Kamera loszieht, der will meistens auch genau das einfangen: die Farbe, die Emotion (durch die Farben), die Identität des Subjekts, welche durch Farbe sichtbar wird. Dennoch gibt es ein paar Vorteile, die erst durch die Schwarz-Weiß-Fotografie zum Tragen kommen: Licht und Schatten, Formen und Kontraste, die gesamte Komposition rückt in den Mittelpunkt.

Das Tolle: wer eine x-beliebige Kamera besitzt, kann nicht nur farbig, sondern ebenso schwarz-weiß fotografieren. Entweder man wechselt in der Kamera in den S/W-Modus oder reduziert die Sättigung später im Bildbearbeitungsprogramm auf Null. Oder man wagt sich an einen Spezialisten unter den Kameras: eine ausgewiesene Schwarz-Weiß- oder besser gesagt monochrome Kamera. Diese arbeiten ohne integrierten Farbfilter, wodurch die Interpolation zur Berechnung der Helligkeitswerte entfällt und Schwarzweißbilder mit unglaublicher Schärfe entstehen – selbst bei Aufnahmen mit schwachem Licht.

In meinem Fall: die Leica M Monochrom, die mir für diesen Trip zur Verfügung gestellt wurde.

Der erste Eindruck

Da liegt sie also vor mir. Die Monochrom. Daneben meine geliebte m9. (Und ebenfalls - zur Sicherheit - die Canon EOS 6D.)

Äußerlich sehen die m9 und die Monochrom ziemlich gleich aus. Fühlen sich auch gleich an. Beide liegen angenehm in der Hand. Da wollen sie auch hin. Und vors Auge geführt werden. Geht aber immer nur mit einer. Ich nehme die Monochrom. Klick-surrr (ich liebe diesen Sound, selbst wenn die Bilder anschließend nichts werden sollten - dieses kleine akustische Erlebnis allein ist schon ein Grund, den Auslöser zu drücken). Der Blick auf das Display zeigt mir den ersten gravierenden Unterschied zur m9: die Darstellung auf dem Display ist so, wie sie sein sollte. Wenn es ein Manko gibt an der m9, dann ist es die verfluchte Darstellung der Bilder auf dem Screen.

Jedes Mal, wenn ich ein Bild mit der m9 mache, möchte ich es am liebsten gleich wieder löschen (was ich allerdings nicht mache, zum Glück, denn auf dem Monitor am Rechner kommt ja dann doch etwas anderes zum Vorschein - etwas, was der Bildschirm nicht hergibt). Diese Überraschung entfällt bei der Monochrom. Hier bekommt man verkleinert das zu sehen, was man auch später am Rechner sieht. Glasklar. Und einwandfrei abgebildet. Nur ohne Farben. Okay, ist halt die Monochrom. Und die wird jetzt mein Reisebegleiter für die nächsten Wochen.

Ebenso wie die Frage: ist das eine kluge Entscheidung? Ich starte in Vegas, fahre ins Valley of Fire, nach Zion, Bryce, ins Monument Valley, zum Grand Canyon, Joshua Tree, Los Angeles und komme via Death Valley zurück nach Vegas. Vor meinem geistigen Auge sehe ich vor allem eines: Farben. In allen Abstufungen. Und dahin nehm‘ ich die Monochrom mit!? Okay, auch die m9 und 6D im Gepäck.

Raus aus dem Flieger, rein ins Abenteuer...

20 Stunden später im Valley of Fire kommt auch schon die erste Antwort auf die Frage, ob das eine kluge Entscheidung ist. Und eine erste grandiose Stärke der Monochrom: es ist 20 Uhr. Und eigentlich schon zu spät zum Fotografieren. Die Sonne ist komplett hinter den Bergen verschwunden. Und trotzdem: die Bilder in der Dämmerung sehen fantastisch aus. Ich prügle die ISO hoch auf 5.000 - und fall um vor Ungläubigkeit. Wo ist das Rauschen, das bisschen Körnigkeit, was mich ein wenig an meine analogen Aufnahmen erinnert? Sensationell! Trotzdem vertage ich meinen Wunsch, noch mehr zu fotografieren auf den nächsten Tag.

…der um kurz nach vier - Jetlag sei Dank - beginnt. Den Sonnenaufgang überlasse ich der m9. Und mein Bauch sagt mir, ihr auch die erste Wanderung am Morgen zu überlassen. Mach ich aber nicht. Zum Glück: denn so wird mir erst klar, wieviel Struktur sich hier in der Wüste, an den massiven Felswänden und überhaupt in der Natur finden lässt. Und wieviel Detail sich davon auf den Sensor der Monochrom bringen lässt. Ist die m9 schon ein präzises Arbeitstier, so übertrifft die Monochrom sie nochmal in ihrer Schärfe und Detailversessenheit.

Selbst die Bilder mit kleiner Blende wirken unglaublich fein. Ist die m9 ein Skalpell, dann ist die Monochrom der Laser Cutter. Ich fotografiere abwechselnd mit beiden Kameras. Meine Kinder, die mich begleiten, die Landschaft, abstrakte Formen, Eidechsen, die die Morgensonne zum Aufwärmen suchen... und ich lerne: auch wenn sich beide Kameras ähneln, erfordern sie bei der Komposition doch ein völlig anderes Herangehen

Farbe vs. Monochrom

Auch wenn sich im Laufe der kommenden Wochen die Landschaften ändern, dieser Eindruck bleibt: die Monochrom fordert einen deutlich mehr beim Fotografieren. Sie verlangt eine ganz andere Auseinandersetzung mit den Dingen von einem als die m9 - belohnt aber dafür mit einer zusätzlichen Perspektive auf die Welt, die man durch den Sucher erblickt.

Überall da, wo Farbe das entscheidende Element in der Komposition ist, kann ich die Monochrom schön in ihrer Tasche lassen. Ob im Antelope Canyon - der zwar an Formen einiges zu bieten hat, aber letztendlich durch die von oben hereinscheinende Sonne und die daraus entstehenden Farb- und Lichtspiele begeistert - im Bryce Canyon Nationalpark, dessen surreal anmutende orange-rote Steinformationen einfach in Farbe eingefangen werden müssen, nicht zu vergessen die vielen Sonnenuntergänge und -aufgänge, die, ach nee, eigentlich gar nicht fotografiert werden müssen.

Wenn es hingegen um Emotionen geht (zum Beispiel die meiner Kinder, wenn es schon wieder auf eine Wanderung geht, statt einfach mal mit dem Handy in der Hand den Tag über am Pool zu liegen), wenn Kontraste sich vor einem auftuen – ob grandiose Wolken, Felsen- oder Las Vegas-Lichterwände – wenn die blaue Stunde sich verabschiedet hat, wenn es um funzelige Details geht – dann zeigt die Monochrom, was in ihr steckt.

3.000 Meilen später

Beim Sichten und Bearbeiten zuhause fällt dies um so deutlicher auf: die Bilder der m9 geben das wieder, was man in Erinnerung hat. Die Bilder der Monochrom hingegen zeigen eine ästhetisierte und reduziertere Variante dieser Wirklichkeit. Was man auch in der Bearbeitung an sich merkt. Kein RGB-Kanal, an dem man drehen kann. Was es schneller macht. Aber auch hier ein Umdenken erfordert.

Mein Fazit: wer sich der Fotografie verschrieben hat, sollte die Monochrom zumindest mal leihweise ausprobieren. Mich hat sie in ihren Bann gezogen. Mir hat sie gezeigt, dass es noch vieles ‚neu‘ zu sehen gibt. Wer nur schnell ein paar Schnappschüsse machen oder Momente als Erinnerung festhalten will, ist vielleicht mit der m9 (oder einer anderen Nicht-monochromen Kamera) besser bedient. Aber wer sich der Herausforderung stellen will, die Welt nicht nur zu sehen, sondern zu ergründen, für den gibt es kein besseres Tool, dieser Leidenschaft nachzugehen.

THOMAS HAENSGEN BEI MAURITIUS IMAGES

Fotograf, Autor, Flugkurier, Werber, Digitaler Nomade – Thomas Haensgen tritt unter vielen ‚Berufsbezeichnungen‘ in Erscheinung. Was er jedoch auf gar keinen Fall sein will, ist jemand, der seine Zeit ausschließlich im Büro oder am Schreibtisch verbringt. Stattdessen zieht es ihn die meiste Zeit des Jahres nach draußen in die weite Welt, mit dem Ziel, die ganze Vielfalt unseres Planeten einzufangen, um die Betrachter damit zu begeistern. Immer auf der Suche nach einzigartigen Geschichten, beeindruckenden Momenten und neuen Blickwinkeln - die der 1971 in Solingen geborene fotografische Autodidakt sowohl mit Kamera als auch mit Notebook gekonnt festhält. „Ich suche ständig nach Inspiration und möchte Inspiration vermitteln. Mit Bildern, die einen etwas anderen Blickwinkel auf die Welt widerspiegeln und gleichzeitig Ausdruck einer sehr persönlichen Sichtweise sind.“

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ns · 23.06.2021