FÜR EIN PAAR KRÜMEL GOLD

Eine Reportage von Nicolás Marino. Die Bilder kannst du exklusiv bei mauritius images lizenzieren. Zu den Bildern.

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Im krassen Gegensatz zu den idyllischen Bildern von silhouettenhaften Kamelkarawanen, die bei Sonnenuntergang in langsamem Tempo entlang hügeliger, goldener Dünen wandern, ist die Wüste Sahara für viele der Ort, an den sie kommen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gefangen in einem riesigen Ozean aus Sand machen die stechende Hitze, die Härte des Windes und die Grausamkeit der heißen Sonne es eigentlich unmöglich, in dieser kargen Umgebung überhaupt einen Arbeitsplatz einzurichten.

Doch seit Tausenden von Jahren versorgt die Sahara die Menschheit mit dem Metall, nach dem sie sich am meisten sehnt - Gold. Der Glanz dieses Minerals hat die Welt erblinden lassen, vom alten Ägypten bis zum China des 21. Jahrhunderts, und hat Millionen von Menschen dazu veranlasst, sich auf die Suche zu machen, wo immer es gefunden werden kann.

Die Krümel auflesen

Das Thermometer erreicht die 55°C-Marke (131°F) bis 10 Uhr an einem beliebigen Sonntag im April auf dem Goldmarkt von Delgo. Auf den ersten Blick ist das Einzige, was von der Straße aus zu sehen ist, eine weit entfernte Front von behelfsmäßigen Ständen aus Wellblech. Hier, 300 Meter abseits der Straße, machen die Busse, die durch die Wüste fahren, Halt, um eine Pause einzulegen. Ein fünfminütiger Spaziergang auf dem Sand hinter den Reihen der Teehäuser und Restaurants offenbart jedoch eine große, vom Sand durchzogene Zeltsiedlung aus Lumpen und Planen, die mit Holzstöcken und Seilen primitiv zusammengehalten werden.

Gefährlich, staubig, von den Wüstenwinden zerrissen, überfüllt und unter der drückenden Hitze zusammengepresst - hierhin kommen Tausende von Goldsuchern aus den ärmsten Teilen des Sudan und angrenzender Länder in der Hoffnung, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Immer wieder sieht man alte, mit Minenarbeitern überladene Toyota Pickup-Trucks in der Wüste verschwinden und aus dem Nichts wiederauftauchen. Wie Ölsardinen gequetscht fahren sie auf der Ladefläche des Lastwagens in die entlegensten Teile der Sahara, um dort mit Spitzhacke und Schaufel zwölf oder fünfzehn Stunden am Tag in beißender Hitze zu graben. Die Minenarbeiter machen sich auf die Suche nach neuen Goldvorkommen, denn die glücklichen Zeiten, in denen man bei einem Spaziergang in der Sonne per Zufall über glitzerndes Goldgestein stolpern konnte, sind längst vorüber.

Heute müssen die Bergleute an extrem abgelegenen Orten tief graben, und selbst dann sind Funde nicht garantiert. Von der alten ägyptischen Zivilisation bis zu den heutigen multinationalen Bergbauunternehmen aus China sind sie alle gekommen, um das Gold aus der nubischen Sahara zu holen. Von den goldenen Felsen, die einst so leicht in einer weit zurückliegenden Vergangenheit gefunden wurden, sind nur noch wenige Krümel übrig geblieben. Und doch ist diese Arbeit für viele die einzige Hoffnung, ein paar Dollar pro Woche zu verdienen.

Nach der Trennung des Südsudan vom Sudan steht das Land ohne sein anderes Gold, das schwarze, das traditionell seine wichtigste Einkommensquelle war, da. Heute wird das Gold vor allem von chinesischen und türkischen Bergbauunternehmen abgebaut, und der Rest wird zwischen denen aufgeteilt, die sich hinauswagen und versuchen, die verbleibenden Brosamen auszugraben.

Die Regierung hat erlassen, dass diejenigen, die Gold finden, Eigentümer der Schätze sind. So wurde der Goldmarkt in Delgo zum Treffpunkt derer, die auf der Suche nach dieser Illusion kommen. Hier werden alle aus den Tiefen der Wüste mitgebrachten Steine verarbeitet, um möglichst jeden Krümel Goldes zu gewinnen.

Der mühsame und anstrengende Prozess der Gewinnung beginnt an den Schleifmaschinen, wo die Steine von Hand geschliffen werden, bis nur noch ein sehr dünnes Pulver übrig bleibt. Durch die Notwendigkeit, die Schleifgeräte von Hand zu bedienen, arbeiten die Arbeiter in einer permanenten, erstickenden Staubwolke bei Temperaturen, die leicht 60°C (140°F) erreichen.

Nachdem die Steine in die Maschinen geworfen werden, spucken sie den Staub in alle Richtungen. Manchmal ist die Luft so mit stauberfüllt, dass es unmöglich ist, die Hand vor den Augen zu sehen. Für viele der Arbeiter ist es so schwer, in dieser undurchdringlichen Wolke zu atmen, dass sie trotz der Hitze ihre Köpfe in Lumpen einwickeln.

Andere Arbeiter können weder die Hitze noch die klaustrophobischen Lumpen ertragen. Ihre Körper sind vollständig mit Staub bedeckt, und das ständige Stirnrunzeln auf ihren Gesichtern spiegelt das Elend jeder Minute wider, die sie an diesem Arbeitsplatz verbringen. Doch weder Lumpen noch Ohrenschützer aus Stoff reichen aus, um das schrille Geräusch der Steine, die gegen die Metallstücke der Schleifmaschine geschliffen werden, zu übertönen. Es ist ein durchdringendes, ohrenbetäubendes Geräusch, das einen in den Wahnsinn treibt.

Auf der Rückseite der Maschine wird das staubige Ergebnis des Schleifens ausgespuckt. Dort steht ein Arbeiter und hält einen Sack, um das Steinpulver aufzufangen. Die Maschinen sind so schlecht gebaut und überbeansprucht, dass sie häufig stecken bleiben, und dann müssen wegen der Explosionsgefahr alle vor ihr flüchten. Metallstangen, Muttern und Bolzen aus der überlasteten Maschine schießen wie Kugeln in alle Richtungen. Alle, die in der Nähe arbeiten, müssen sich solange in Sicherheit bringen, bis der innere Mechanismus schließlich zusammenbricht und die Maschine vollständig zum Stillstand kommt.

Sobald die Säcke mit den Gesteinsstaub gefüllt sind, werden sie zu Schlammwasserbecken getragen, wo der nächste Schritt beginnt. Die Männer sitzen hier mit halb eingetauchten Beinen – sie haben zwar Wasser, aber keinen Schatten und verbringen den ganzen Tag unter der lähmenden Sonne. Und obwohl es dieselbe Sonne ist, die wir überall finden, scheinen die Strahlen an diesem Ort die Haut wie brennende Laserstrahlen zu durchdringen. Aber das grelle Licht der Sonne ist ein notwendiges Übel, das hilft, die glänzenden Goldstücke im Sand zu erkennen.

Zuerst wird das gemahlene Gesteinsmehl in kleinen Portionen in breite Eimer gegossen, die dann mit Wasser gefüllt werden. Diese Eimer werden immer wieder in einer kreisförmigen Bewegung geschüttelt. Während sie immer wieder geschüttelt werden, wird Wasser mit dem Ziel, das Goldpulver langsam vom schwereren Sand zu trennen, zu- und ausgegossen.

Nach einigen Minuten wird das überschüssige Wasser entfernt, wobei der nasse Staub am Boden zurückbleibt. Dann wird ein flüssiges Trennmittel hinzugegeben, das die Goldpartikel aufnimmt und vom Schlamm trennt. Die Flüssigkeit im Eimer wird wieder herumgeschwenkt, so dass das Trennmittel alle Teile des Bodens erreicht. Das Gold haftet daran wie an einem Magnet. Die entstandene Verbindung wird anschließend in eine kleine Flasche gegossen.

Mit dem Zufügen des Trennmittels kommt der Moment der Wahrheit, auf den alle sehnsüchtig warten. Mit der Flasche in der Hand, gefüllt mit neuer Hoffnung, begeben sie sich zu den Zelten der Händler. Vor diesen Zelten befinden sich rudimentäre Heizsysteme, die dazu dienen, das reine Gold aus dem Trennmittel herauszuholen. Viele warten den ganzen Tag auf diesen Moment. Um einen instabilen mit Kohle gefüllten Schlammofen kauernd, fügen die Männer kleine Teile des Zaubertranks in eine Schaufel, die über den brennenden Kohlen schwingt.

Mit äußerster Vorsicht wird jede noch so kleine Goldkugel dann in den Laden getragen, wo die Händler den ganzen Tag sitzen und darauf warten, dass die Goldsucher das Ergebnis ihrer täglichen Ernte bringen. Mit einer Waage auf der einen Seite und Geld auf der anderen Seite tun die Händler nichts anderes als abzuwarten und stundenlang zu plaudern, während sie ein Glas Tee nach dem anderen trinken.

Leben jenseits der Hölle

Der Goldmarkt in Delgo ist viel mehr als nur ein Markt - er ist eine riesige improvisierte Stadt aus Lumpenzelten mitten im Nirgendwo. Ein Blick auf den trüben Horizont am Ende der sandigen Straßen zeigt ein Bild, das einem Flüchtlingslager ähnelt. Es ist nur schwer vorstellbar, dass es Abertausende von Migranten aus dem In- und Ausland beherbergt.

Delgo ist seinem Wesen nach ein vorübergehendes Lager - so vorübergehend wie ein heißes Fieber. Eben jenes Goldfieber, das so viele hierher treibt, die der Illusion eines besseren Lebens nachjagen.

Solange das Goldfieber anhält, werden die Menschen weiterhin in Delgo leben, in dieser riesigen Gemeinschaft von Goldsuchern. Viele wurden vom Bürgerkrieg aus betroffenen Regionen wie Darfur vertrieben, Andere kommen aus dem Tschad, dem Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik und anderen Nachbarstaaten oder Ländern, die durch Dürre, wiederkehrende Hungersnöte und die ewigen Stammeskonflikte verwüstet wurden.

Paradoxerweise sehen die Arbeiter in diesem Höllenofen die Rettung aus ihrer eigenen persönlichen Hölle - eines Lebens, das sie zu einem Leben auf der Flucht zwingt scheint - ständig unterwegs, immer auf einem langen Marsch auf einer Straße, die ein besseres Leben verspricht, aber nie endet.

Hier in Delgo gibt es keinen Platz für Vergnügen, Feiern oder Laster. Frauen ist es strengstens verboten die Siedlung zu betreten, auch Minderjährigen dürfen sich hier nicht aufhalten. Es ist eine Gemeinschaft von Männern, deren hartes Leben sie gezwungen hat, stark zu werden. Sie setzen diesen Willen und diese Kraft ein, um zu arbeiten und auf den Beinen zu bleiben, bis ihr Körper sie schließlich zum Aufgeben zwingt, ihre Kraft sie verlässt und sie erschöpft fallen, wo immer sie auch sein mögen.

“Hier gibt es keinen Schlaf, hier gibt es nur Zusammenbruch. Hier gibt es keine Ruhe, hier gibt es nur ein vorübergehendes Vergessen zwischen zermürbenden Arbeitsschichten.”

Hier gibt es keine tyrannischen Chefs aber auch keine geregelte Arbeitszeit. Stattdessen arbeiten die Männer selbstbestimmt Tag und Nacht. Drinnen oder draußen, oben oder unten, diesseits oder jenseits des Lagers - es gibt kein Entkommen vor der glühenden Hitze.

Hier zu arbeiten erfordert Mut. In Delgo sind es nicht nur die Goldsucher, die versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Menschen, die kommen, um die Arbeiter mit dem Notwendigsten zu versorgen: Teeverkäufer, die frisches Wasser aus dem Nil bringen, und Imbissverkäufer wandern durch die Sandstraßen, der Hitze trotzend um ein paar Cent zu verdienen.

Es finden sich auch behelfsmäßige Zeltläden, die Werkzeuge, Kabel, Maschinen und Ersatzteile verkaufen, sowie Werkstätten, die alle Teile reparieren, die diese weitläufige Ansiedlung Tag für Tag funktionsfähig zu halten.

Transport- und Lieferdienste werden meist mit der Hilfe von Tieren erledigt, häufig von Eseln gezogene Holzkarren. Das ist der einzige Luxus, den sich diejenigen leisten, die nicht bereit sind, lange Strecken unter der brutalen Sonne zu laufen.

Mit einem langen Bambusstock peitschen die Reiter ihre Tiere, die von der Hitze ebenso erschöpft sind, aus, damit sie in diesem langsamen Land schneller vorankommen, während sie die ganze Zeit schreien, um ihre Dienste anzubieten.

Kinderarbeit wird in Delgo streng kontrolliert. Dennoch tauchen hier und da Jugendliche auf, die versuchen, ein paar Goldkrumen für sich selbst zu finden. Die Jungen, die sich im Lager verstecken, entziehen sich leicht einer Handvoll untätiger Soldaten, die auf einem Bett in ihren behelfsmäßigen Kontrollkabinen liegen und nur vorgeben, das zu kontrollieren, was sie eigentlich nicht kontrollieren wollen.

Und schließlich gibt es da noch den Raum, in den sich alle begeben. Fünfmal am Tag, ohne Ausnahmen. Die improvisierte Moschee besteht aus dünnen gewellten Stahlblechen, wodurch sie sich eher als das Innere einer Mikrowelle als ein spiritueller Schutzraum anfühlt. Die Männer versammeln sich hier um bei Allah die Antworten zu finden, die sie für ihren täglichen Kampf brauchen. Sie glauben, dass sie an dem Ort, den Gott für sie bestimmt hat, hart arbeiten und ganz gleich, wie schwer die Arbeit auch sei, am Ende des Weges das Paradies wartet... insha'allah (wenn Gott es will).

Ojektiv gesehen ist das Leben in Delgo sehr hart. Dutzende von Begegnungen während meines Aufenthaltes dort haben mir jedoch auch gezeigt, dass das Leben, das wir leben, und wie wir es wahrnehmen, ganz von der persönlichen Perspektive abhängt - und wie wir es betrachten und welche Entscheidungen wir treffen.

In den Gesprächen, die ich geführt habe, manchmal durch eine Sprachbarriere eingeschränkt, manchmal nicht, in den Reaktionen auf meine Anwesenheit, in der Veranlagung der meisten Menschen, im verbalen Austausch und in den Gesten und Blicken - immer wieder hatte ich bei den Arbeitern das Gefühl eines Geistes und einer Kraft, die in der Ruhe und nicht in der Klage, in der Integrität und nicht im Zusammenbruch, im Kampf und nicht in der Resignation, in der guten Laune und nicht in der Beschwerde, in der Gastfreundschaft und nicht im Groll liegt.

Letztendlich war es das Lächeln, das ich auf den staubigen Gesichtern der Arbeiter sah, wenn sie die erstickenden Lumpen, die sie umhüllten, entfernten, das mir die eigentliche Lektion des Lebens aufzeigte.

NICOLAS MARINO BEI MAURITIUS IMAGES

Ursprünglich aus Argentinien stammend, bereist der Architekt und Fotograf die entlegensten Regionen der Welt mit dem Fahrrad. Die Porträtfotografie von Menschen in ihrer Umgebung und die würdevolle Darstellung der menschlichen Existenz ist einer seiner fotografischen Schwerpunkte.

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ns · 22.09.2020